A/N: Vielen Dank an Kimi04 für die Übersetzung des Geschichten, und anTiny16 für den beta-Job. Ich bin mir ganz klar, das dies ein richtig schmerzhaften Job war, und ich bin unglaublich dankbar dass ihr so eine gute Arbeit damit getan haben.
Ich möchte eine Kleenex Warnung aussprechen, ehe ihr diese Geschichte lesen werdet. Glaubt mir, sie sind nötig.
Wie immer, ist Twilight nicht meines. Die Jungs sprechen aber immerhin mit mir.
ooOoo
Gewidmet dem Einen, den ich liebe


Mit dem Stift in der Hand saß ich vor meinem Notizbuch – ich hatte es schon immer gehasst am Computer zu schreiben. Einen Blick auf das Foto werfend, das auf meinem Schreibtisch stand, strich ich mit dem Finger über das lachende Gesicht. Ich mache das für dich, Liebster. Ich vermisse dich.

Mit einem Seufzen dachte ich an den Tag zurück, an dem dieses ganze Schlamassel begonnen hatte.

„Babe, was ist los?“

Ich legte meine Hand auf Jaspers Schulter, der mit schmerzverzogenem Gesicht zusammengekrümmt auf der Couch saß und eine Hand knapp unterhalb des Brustbeins gegen seinen Bauch presste. Er schüttelte den Kopf. „Es ist gar nichts, Darlin‘. Bloß eine Magenverstimmung oder so ähnlich… Sodbrennen. Ist gleich wieder vorbei.“

Er drückte die Zigarette, die er in der anderen Hand hielt, im Aschenbecher aus, setzte sich aufrecht hin und lehnte sich auf der Couch zurück, hielt die Faust aber weiterhin vor den Bauch gedrückt. Mich neben ihn setzend griff ich nach seiner freien Hand und fuhr mit der anderen durch seine Haare. Dieses Sodbrennen quälte ihn bereits seit Wochen, und so langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen. Natürlich spielte er die Sache herunter, sagte, es würde bloß an zu viel Stress auf der Arbeit liegen. Er hasste Ärzte, aber ich wollte ihn endlich dazu bewegen, sich durchchecken zu lassen, besonders weil Alice vor ein paar Tagen gesagt hatte, er hätte Gewicht verloren. Es war so allmählich geschehen, dass ich es erst bemerkt hatte, nachdem ich darauf hingewiesen worden war. Aber vermutlich gehörte das einfach zu den Dingen, die viel offensichtlicher waren, wenn man jemanden nicht täglich sah.

„Jasper, rufst du bitte morgen einen Arzt an? Für mich? Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Liebling. Selbst wenn es nur Sodbrennen ist, können sie dir etwas geben, damit es dir besser geht. Ich kann es nicht ertragen dich leiden zu sehen, Sweetheart.“

Einen tiefen Atemzug nehmend schloss er kurz seine Augen, ehe er direkt in meine blickte und zustimmend nickte. „Okay, gleich morgen früh rufe ich an und lass mir einen Termin geben.“

Mit zitternden Fingern musste ich eine kurze Pause einlegen, um meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Einen weiteren Blick auf sein Foto werfend atmete ich langsam aus. „Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn du früher gegangen wärst, Liebling?“ Diese Frage hatte ich mir so oft gestellt – aber eine Antwort darauf würde ich nie erhalten.

Ich griff nach dem Foto und hielt es mit beiden Händen vor mein Gesicht, um ihn zu betrachten. Er sah so glücklich darauf aus, so lebendig. Ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen, das bis zu seinen himmelblauen Augen reichte, und er blickte direkt in die Kamera – und damit zu mir. Im Hintergrund konnte ich zwei Buden ausmachen, ein paar Stofftiere und einige Luftballons. Wir waren auf dem örtlichen Jahrmarkt gewesen, hatten fern vom Alltag unseren Spaß gehabt und einen der seltenen freien Tage genossen, die wir gemeinsam hatten. Behutsam zeichnete ich die Konturen seines Gesichts nach und wisperte. „Wo ist nur die Zeit geblieben? Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen und jetzt…“ Tatsächlich war das Foto vor drei Jahren aufgenommen worden, als das Leben noch einfach und glücklich gewesen war… vollkommen eben.

Den Bilderrahmen zurück an seinen Platz stellend wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und griff erneut nach meinem Stift, um mein Versprechen einzuhalten, das ich ihm gegeben hatte.

Ich kochte gerade unser Abendessen, als Jasper die Küche betrat. Abwesend rieb er sich über die Brust, stoppte diese Bewegung aber, kaum dass er hinter mir stand. Stattdessen zog er mich in seine Arme und drückte mir einen Kuss direkt unters Ohr. Lächelnd tätschelte ich seine Hände und drehte meinen Kopf, um ihn auf die Lippen zu küssen.

„Wie ist es gelaufen? Konnte er feststellen, was dir fehlt?“

Er seufzte, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und lehnte sich gegen den Schrank. „Der Arzt denkt, ich habe mir ein Magengeschwür zugezogen…“

Den Pfannenwender niederlegend drehte ich mich zu ihm um. „Was? Wie hast du denn das geschafft?“

Er warf mir ein ironisches Grinsen zu, zog seine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und wedelte augenrollend damit vor meinem Gesicht herum. „Offenbar sind diese Dinger schlecht für mich.“ Mit einem Seufzen reichte er mir das Päckchen. „Du hattest mal wieder Recht, Darlin‘. Ich wollte sie dir geben, damit du weißt, dass ich damit aufhöre. Ab heute mache ich einen kalten Entzug. Der Doc sagt, ich muss es machen und zusätzlich meine Ernährung umstellen… oder besser gesagt zusehen, dass ich zu regelmäßigeren Zeiten esse. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich das mit meinem Job schaffen soll. Er hat mir auch einige Medikamente verschrieben, also warten wir es mal ab.“

Verwundert warf ich einen Blick auf die Zigaretten in meiner Hand. Vielleicht hatte dieses Magengeschwür ja doch etwas Gutes, wenn er dadurch mit diesen widerlichen Dingern aufhörte. Seit Jahren versuchte ich nun schon, ihn zu bewegen mit dem Rauchen aufzuhören, bisher jedoch ohne Erfolg. Er beobachtete mich dabei, wie ich sie in den Müll warf, und gemeinsam suchten wir alle im Haus verteilten Aschenbecher, Zigarettenschachteln und Feuerzeuge zusammen und entsorgten sie ebenfalls. Nachdem wir fertig waren, zog ich ihn fest in meine Arme. „Danke. Du musst besser auf dich acht geben. Ich liebe dich doch so sehr.“

„Ich liebe dich auch, Edward. Für immer und ewig“, lächelte er.

Eine Hand, die meine Schulter drückte, holte mich in die Wirklichkeit zurück, und ich blickte hinauf in das Gesicht meiner Mom. Traurig lächelnd legte sie ihre andere Hand an meine Wange und wischte mit dem Daumen die Tränen weg, die einfach nicht aufhören wollten zu fließen… allerdings hatte ich es auch aufgegeben, sie zu bekämpfen. Ihre Stimme war sanft, doch ich konnte die Emotionen, die sie zu unterdrücken versuchte, deutlich erkennen. „Wie läuft es bisher, Sweetheart?“

„Gar nicht, Mom. Ich weiß, ich hab es ihm versprochen, aber ich hab keine Ahnung, ob ich es tun kann. Ich vermisse ihn so sehr.“

Sie umarmte mich fest und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. In Erwiderung schlang ich meine Arme um sie und lehnte meine Stirn gegen ihren Bauch. „Unser für immer war einfach nicht lang genug“, murmelte ich.

Seufzend rubbelte sie mir über den Rücken und die Arme. „Ich weiß, Sweetheart, ich weiß…“

Eine Zeitlang verharrten wir in dieser Position und lösten uns erst voneinander, als Alice mit einem entschuldigenden Ausdruck auf dem Gesicht an die Tür klopfte. „Sorry, Edward, aber deine Anwältin ist hier, um dich zu sehen. Sie wartet ihm Wohnzimmer auf dich.“

Ich nickte, und Esme wandte sich nach einem letzten Streicheln über meine Wange zum Gehen. Während sie den Raum verließ, sah ich mich in meinem alten Kinderzimmer um. Nicht zum ersten Mal wunderte ich mich darüber, wie es soweit gekommen war, dass ich nun wieder bei meinen Eltern wohnte. Noch vor ein paar Monaten hatte ich zusammen mit Jasper in unserem eigenen Haus gelebt, welches nun leer stand und nur noch Erinnerungen bereithielt, die wir uns dort gemeinsam geschaffen hatten. Ich beugte mich vor, um mich am Knöchel zu kratzen, nur um von der elektronischen Fußfessel aufgehalten zu werden, die sich dort befand. Das war mehr als lästig, aber sie zu tragen und bei meinen Eltern wohnen zu können, war besser als im Gefängnis zu sitzen. Seufzend  stand ich auf, ich hatte ein langes Treffen mit Tanya, der Anwältin meiner Familie, zu überstehen.

Stunden später, nach dem Abendessen, fand ich mich vor meinem Schreibtisch wieder. Ich war erschöpft und wollte eigentlich nicht mehr schreiben, aber ich nahm den Stift trotzdem zur Hand und machte weiter.

„Jasper, du musst noch einmal hingehen und mit ihm reden. Bitte.“

Dickköpfig schüttelte er seinen Kopf, obwohl er vor Schmerzen das Gesicht verzog und sich wieder die Stelle unterhalb des Brustbeins rieb. Es waren Wochen vergangen und sein Zustand wurde immer schlimmer, obwohl er nicht mehr rauchte, seine Essgewohnheiten geändert hatte und die Medikamente nahm, die der Doktor ihm wegen dem Magengeschwür verschrieben hatte. Er verlor weiterhin Gewicht – nicht viel, aber genug um mich zu beunruhigen – und er begann Probleme zu haben, auf die Toilette zu gehen. Ein paarmal war ich bereits wach geworden, weil ich ihn vor Schmerzen stöhnen gehört hatte, und das jagte mir höllische Angst ein.

„Jasper, um Himmels Willen, ruf ihn an. Da stimmt doch was nicht.“

Wieder lehnte er kopfschüttelnd ab und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, wurde aber von einem Klopfen an der Tür gestoppt. Als ich mich abwandte, um sie zu öffnen, runzelte er die Stirn und warf mir einen verwirrten Blick zu.

„Emmett! Gott sei Dank, vielleicht kannst du ihm ein wenig Verstand eintrichtern, auf mich will er ja nicht hören.“

Emmett umarmte mich kurz und ging dann zu Jasper hinüber. Er begutachtete ihn von Kopf bis Fuß, überprüfte jedes kleine Detail. Ich war hinter Jasper getreten, der auf der Couch sitzengeblieben war – ein weiteres Indiz dafür, dass er mehr Schmerzen hatte, als er uns gegenüber zugeben wollte. Normalerweise wäre er aufgestanden, um seinen besten Freund und Businesspartner zu begrüßen.

„Emmett, was zur Hölle machst du hier?“

Jasper warf mir einen warnenden Blick zu, aber ich hob nur abwehrend meine Hände und sagte. „Ich wusste nicht, auf wen du sonst hören würdest und auf irgendjemanden musst du hören, Jazz.“

Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Emmett überging diesen Versuch einfach, nahm das Telefon vom Tisch und hielt es ihm unter die Nase. „Wage dich nicht, Edward das Leben schwer zu machen, Whitlock! Er liebt dich und ist besorgt um dich. Ehrlich gesagt, bin ich das auch. Kaum bin ich mal ein paar Wochen weg, finde ich bei meiner Rückkehr deinen dürren Hintern auf der Couch sitzend wieder. Ich kann sehen, dass du Schmerzen hast. Jetzt ruf deinen verdammten Arzt an und mach einen Termin, oder ich mache es für dich.“

Jasper funkelte uns beide wütend an, ehe er mit einem Schnauben nach dem Telefon griff und einen Termin für den nächsten Tag arrangierte, um sich durchchecken zu lassen. Nachdem er aufgelegt hatte, schleuderte er das Telefon grummelnd auf die andere Seite des Sofas. „Bitte. Seid ihr jetzt glücklich?“

„Danke, Liebster“, murmelte ich und küsste ihn auf den Kopf.

Emmett grinste bloß, ließ sich auf die andere Couch fallen und legte die Beine hoch, ehe er nach der Fernbedienung griff. „Nachdem wir das geklärt haben, wo ist mein verdammtes Bier? Immerhin sehen wir uns das Spiel heute an, oder nicht?“

Jasper und ich begannen zu lachen, und ich ging in die Küche, um uns allen ein Bier zu holen.

Laut gähnend rieb ich mir die Augen und versuchte vergeblich, mich damit wachzuhalten. Nach einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es bereits nach Mitternacht war und wandte mich dann reumütig Jaspers Foto zu. „Es tut mir leid, Liebling, das war es für heute. Morgen muss ich zum Gericht, aber ich werde weiterschreiben, wenn ich nach Hause komme. Ich… ich wünschte, du wärst hier, Jazz. Du fehlst mir so sehr, dass es weh tut.“

Am nächsten Tag gingen wir gemeinsam zum Gericht – Mom, Dad, Alice und Emmett, sie alle begleiteten mich, um mich zu unterstützen. Vor dem Gerichtsgebäude warteten Jaspers Eltern bereits auf uns. Helen kam mir entgegen und drückte mich für einen Moment fest an sich. Sie weinte leise, während sie mir ins Ohr flüsterte. „Es tut mir so leid, dass du das durchstehen musst, Edward. Bitte glaube mir, dass das nicht von uns kommt. Obwohl wir unseren Sohn schrecklich vermissen, wissen wir, dass er es so gewollt hat und dass es das Beste für ihn war. Wir lieben dich auch, Edward. Vergiss das niemals.“

Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich los, nur um in die Arme ihres Mannes zu sinken, der sie einige Augenblicke vor und zurück wiegte. Mit einem traurigen Lächeln wandte er sich schließlich mir zu und hielt mir seine Hand entgegen. „Danke, dass du Jasper liebst, Edward. Du bist ein guter Mann.“

Da ich nur durch das Hören ihrer Worte schon mit den Tränen zu kämpfen hatte, konnte ich bloß nicken und seine Hand schütteln. Es war das erste Mal seit Jaspers Tod, dass wir Gelegenheit hatten, miteinander zu sprechen – die Zeit, die man mir erlaubt hatte für die Beerdigung das Haus zu verlassen, war für ein Gespräch einfach zu kurz gewesen.

Ich bekam am Rande mit, dass meine Eltern sich mit Helen und JR unterhielten, aber ich konnte mich nicht auf das Gesagte konzentrieren. Alice hakte sich bei mir unter und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Sie sagte zwar nichts, aber es waren auch keine Worte nötig. Meinen Kopf drehend küsste ich sie auf die Stirn. „Danke, Schwesterherz“, murmelte ich.

Sie lächelte leicht und nickte. In diesem Moment kam Tanya zu uns, um uns mitzuteilen, dass es an der Zeit wäre, den Gerichtssaal zu betreten. Wir nahmen unsere Plätze ein – Tanya und ich am Tisch der Verteidigung und die Familie hinter uns – und meine Anwältin ging noch einmal mit mir durch, was mich erwarten würde. Der Staatsanwalt blickte immer wieder zu uns herüber, aber ich tat mein Bestes, ihn einfach zu ignorieren. Er machte einen knallharten, gereizten  Eindruck und es schien, als wolle er ein Exempel an mit statuieren. Es interessierte mich nicht, ob er damit Erfolg haben würde, denn ganz egal wie es ausging, ich hatte bereits alles verloren, das mir lieb und teuer war. Und zu guter Letzt war das der Grund, warum wir hier waren.

Der Staatsanwalt rief Zeuge um Zeuge auf – Krebsexperten, die aussagten, dass man Jaspers eventuell hätte heilen können, dass man sein Leben hätte verlängern können. Sie sagten mir nichts, was Jasper und ich nicht selber schon recherchiert hatten – am Ende war das alles nicht mehr wichtig gewesen, führten sie doch alle zum gleichen Resultat. Ich hörte kaum noch hin – nicht, weil ich es versuchte, sondern weil meine Erinnerungen mich nicht in Ruhe lassen wollten.

Wir beide starrten den Doktor geschockt an. Er musste sich irren. Weil die Medikamente nicht gewirkt hatten und sein Zustand sich nur weiter verschlechterte statt sich zu verbessern, hatte er weitere Tests durchgeführt, als Jasper das letzte Mal hier gewesen war. Keiner von uns hatte sich viel dabei gedacht, aber als die Sprechstundenhilfe angerufen hatte, weil der Arzt sich mit Jasper treffen wollte, hatte er mich geradezu angefleht, ihn zu begleiten. Irgendetwas schien nicht zu stimmen.

Jasper griff nach meiner Hand und drückte sie so fest, dass es weh tat, aber ich konnte mich nicht wirklich daran stören.

„Sind Sie sicher, Doc?“, brachte er mit krächzender Stimme hervor.

Dr. Haagen nickte ernst, stützte seine Ellbogen auf den Knien ab und drückte seine Fingerspitzen gegeneinander. Er saß direkt neben Jasper, was mir sagte, dass die Situation so ernst war, wie ich befürchtete. Mit einem leichten Seufzen sah er uns abwechselnd an. „Jasper, es gibt keine Zweifel. Die einzigen Fragen, die es zu beantworten gilt sind, wie weit ist es fortgeschritten, und welche Behandlungsmöglichkeiten bleiben uns? Um das zu klären, müssen wir weitere Tests machen. Ich werde Sie an einen Spezialisten überweisen und Renee wird für die Tests einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Wir müssen jetzt schnell handeln; je früher wir alles wissen, desto besser sind Ihre Chancen.“

Tanya legte ihre Hand auf meine und holte meine Aufmerksamkeit damit in die Gegenwart zurück. Behutsam drückte sie meine Finger, und ich formte mit dem Mund ein „Sorry“. Verständnisvoll lächelnd nickte sie und zwinkerte kurz, als wollte sie ‚Schon okay‘ sagen.

Der Rest des Tages verlief ähnlich. Details wurden erörtert und Experten gaben ihre Meinung dazu ab. Sowohl der Staatsanwalt wie auch Tanya feuerten Fragen über Fragen an die jeweilige Person im Zeugenstand ab. Am Ende des Tages fühlte ich mich benommen und wollte einfach nur noch nach Hause. Ich wollte von all den Symptomen, dem weiteren Fortschreiten des Krebses und der Verschlechterung seines Gesundheitszustands nichts mehr hören. Irgendwann versuchten sie es tatsächlich so hinzustellen, als wäre Jasper nicht in der Lage gewesen, bezüglich seines Gesundheitszustandes eigene Entscheidungen zu treffen, und ich hätte ihn dazu genötigt. Ich wollte lachen – lachen und weinen zugleich, denn nicht ich hatte ihn überreden müssen zu sterben, es war genau andersherum gewesen.

Jasper lehnte sich im Stuhl zurück, der quietschte, als er sein Gewicht verlagerte. Er zog frustriert an seinen Haaren und stieß ein Knurren aus. Ich ging auf ihn zu, stellte eine Tasse Tee neben die Tastatur und schlang meine Arme um seinen Hals. „Mach mal eine Pause, Liebster. Du tust schon seit Stunden nichts anderes“, murmelte ich.

Mit einem Seufzen legte er eine Hand in meinen Nacken, und seine Finger spielten abwesend mit meinen Haaren. „Ich weiß, Baby. Ich kann einfach nicht… ich muss es versuchen… es muss einfach irgendetwas geben, das ich tun kann…“

Ich drückte ihn fester an mich und schloss meine Augen, als seine Stimme brach. Meine eigene drohte mich ebenfalls im Stich zu lassen, als ich antwortete. „Ich weiß, Jazz. Wir haben uns jede Webseite angesehen, jeden Artikel gelesen, den wir in die Finger bekommen konnten, haben jedes Tumorzentrum und jeden Doktor angerufen. Alle sagen das Gleiche. Ich wünschte… ich…“

An der Stelle begannen bei uns beiden die Tränen zu fließen. Jasper drehte sich leicht in seinem Stuhl und zog mich zu sich, bis ich mit gespreizten Beinen auf seinem Schoß saß. Mich umarmend vergrub er sein Gesicht an meinem Hals, und wir hielten einander einfach nur fest. Seit seine Diagnose bestätigt worden war, drohten unsere Gefühle ständig überzuschäumen.

Bauchspeicheldrüsenkrebs – Stadium IV.

Der Arzt hatte uns erklärt, der Krebs hätte bereits Metastasen in der Leber sowie im Bauchgewebe gebildet und Jaspers Überlebenschancen wären gering bis nicht existent. „Sechs Monate bis zu einem Jahr… und das bestenfalls“, waren seine genauen Worte gewesen.

„Ich liebe dich, Edward. Bitte vergiss das niemals.“

Ich drückte ihn noch fester an mich und zwang meine Stimme dazu, zu funktionieren, auch wenn ich kaum mehr als ein Flüstern zustande brachte. „Ich liebe dich auch, Jazz. Ich habe Angst, Baby.“

Er seufzte, wobei sein Atem federleicht über meinen Nacken strich. „Ich weiß, Sweetheart. Ich doch auch.“

Wir blieben eine lange Zeit in den Armen des anderen sitzen, in der keiner von uns sprach.

„Edward… ich… du musst mir etwas versprechen.“

Er lehnte sich zurück, damit er mich ansehen konnte und ich sah, wie sich die unterschiedlichsten Emotionen in seinen Augen bekämpften – Furcht, Liebe, Entschlossenheit. Stirnrunzelnd fuhr ich mit meinen Fingern durch seine Haare, um ihn zu ermutigen. „Worum geht es, Jazz?“

Kurz schloss er seine Augen, und an der Art und Weise, wie sich sein Kiefer anspannte und er den Druck seiner Arme um mich verstärkte wusste ich, dass es nichts Gutes war, was er mir zu sagen hatte. Er bereitete sich darauf vor, es zu sagen und mich, es zu hören. Mein Herz schlug vor Angst schneller – eigentlich konnten die Dinge doch nicht noch schlimmer werden, als sie es bereits waren, oder?

Seine Augen öffnend blickte er direkt in meine, als er zu sprechen begann. „Ich will mein Leben nicht unnötig verlängern, Edward. Ich will nicht mit dem ganzen Schmerz bis zu dem Punkt leben, wo es längst kein Leben mehr ist. Die Medizin hat ihre Grenzen und…“ Er schluckte, und seine Stimme war deutlich leiser, als er weitersprach. „Ich möchte die Welt auf meinem eigenen Weg verlassen. Ohne übermäßige Schmerzen, aber dafür mit Würde. Nicht angeschlossen an alle möglichen Schläuche und unter solchen Qualen, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin.“

Ich schüttelte meinen Kopf, konnte einfach nicht glauben, was ich gerade gehört hatte. Wieso redete er über das Sterben als seinen Weg, wenn er genau das doch eigentlich bekämpfen sollte? Im Hintergrund war eine Stimme zu hören, und es dauerte ein paar Sekunden, bis mir bewusst wurde, dass es meine war, die wieder und wieder „Nein“ sagte. Ich versuchte, von seinem Schoß zu klettern, doch er hielt mich zu fest umschlungen, als dass ich mich bewegen konnte.

Mit seinen Augen flehte er mich an. „Edward, bitte, bitte hör mich an, Baby. Ich habe gesehen, was dieser Krebs einem Menschen antun kann. Ich habe dabei zugesehen, wie mein Onkel daran eingegangen ist, wie er vor meinen Augen immer weniger wurde – ich habe miterlebt, welche Qualen er tagtäglich erleiden musste. Ich kann das nicht. Ich will nicht, dass du das durchstehen musst. Es ist einfach zu viel, Sweetheart. In dieser Art Tod gibt es keine Würde. Versteh doch bitte…“

Tanya hielt mir ein Kleenex hin und stupste mich leicht mit dem Ellbogen an, damit ich es annahm. Erst da registrierte ich, dass mir die Tränen über die Wangen strömten. Der Richter ordnete eine Pause an und erklärte, wir würden am folgenden Morgen weitermachen. Langsam stand ich auf, nur um von mehreren Seiten umarmt zu werden, weil meine Familie mich plötzlich umringte. Immer wieder hörte ich wie jemand, „Es tut mir leid, so leid“, sagte, aber ich konnte nicht ausmachen, wessen Stimme es war – ich fühlte mich wie in einem Nebel gefangen, aus dem ich nicht entkommen konnte. Ich war mir nicht einmal sicher, wer es war, den ich in meinen Armen hielt, ich wusste bloß, dass dessen Körper ebenso von Schluchzern durchgeschüttelt wurde wie meiner. Es tat einfach nur so unglaublich weh, ich vermisste ihn so sehr.

Schließlich klopfte Tanya mir leicht auf die Schulter und sagte, sie würde mich am nächsten Morgen vor dem Gericht wiedersehen. Sie erklärte mir, ich sollte versuchen, etwas Schlaf zu bekommen, weil die Möglichkeit bestand, dass ich aussagen musste. Ich nickte daraufhin bloß. Dad begann, uns alle zum Auto zu führen, das draußen bereits auf uns wartete, und dieses Mal mussten wir uns einen Weg durch die Presseleute bahnen. Da ich Carlisles Sohn war, war es eine große Sache, dass ich des Mordes angeklagt wurde. Ebenso wie Esme war er ein angesehenes Mitglied der Gemeinde. Bereits mein Outing und meine spätere Heirat mit Jasper waren ein Skandal gewesen – unsere Ehe wurde zwar nicht anerkannt, aber wir hatten trotzdem eine Zeremonie abgehalten, bei der nur unsere Familien und Freunde anwesend gewesen waren.

Wir gaben keinen Kommentar ab – wir hatten bereits alles gesagt, was wir wollten. Bevor wir der Presse neues Futter lieferten, wollten wir das Gerichtsurteil abwarten. Nachdem wir schließlich Zuhause angekommen waren, ging ich zur Couch und setzte mich darauf. Eins der Kissen nehmend drückte ich es fest an mich und vergrub mein Gesicht darin, um meine Tränen zu verbergen. Es fühlte sich an, als würde mein Herz brechen – erneut. Alice kuschelte sich an mich, nahm mich in die Arme und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Wie immer beruhigte mich ihre bloße Anwesenheit auch heute. Normalerweise war sie ein wahres Energiebündel und quatschte über jedes Thema, das ihr in den Sinn kam, aber in Zeiten wie diesen hatte sie eine ruhige Stärke – eine, auf die ich begonnen hatte, mich zu stützen und für die ich dankbar war. Sie hatte vom ersten Tag an hinter Jasper und mir gestanden und sie war mir eine große Stützte gewesen, als ich mich damals geoutet hatte. Dafür liebte ich sie, und für all die anderen Sachen, die sie ganz einfach ausmachten.

Nach einer Weile kam meine Mom mit einem Teller voller Sandwiches ins Wohnzimmer, dicht gefolgt von meinem Dad, der ein Tablett mit Tassen, einem Zuckertopf, einem Milchkännchen und einer Kanne Tee trug. Sie stellten alles auf dem Wohnzimmertisch ab und setzten sich neben mich auf die Couch. Keiner von uns fing ein Gespräch an, während wir aßen, wir hatten mehr als genug damit zu tun, den Tag zu verdauen, genauso wie das Essen.

Als wir fertig waren, drückte ich Alice einen Kuss auf die Stirn und entschuldigte mich. Ich musste ein Versprechen einhalten. Mom stand auf, um mich zu umarmen, und Dad legte seine Hand auf meinen Arm. Sie wussten genau, wie schwer das alles für mich war, und im Gegenzug wusste ich, dass sie für mich da sein würden, sollte ich sie brauchen; es war nichts, was erneut erwähnt werden musste.

In meinem Zimmer zog ich meine Jacke aus und hängte sie auf den Bügel, bevor ich mich zum ersten Mal an diesem Tag an meinen Schreibtisch setzte. Über Jaspers Gesicht streichend wünschte ich mir, dass ich ihn festhalten könnte, bloß noch ein einziges Mal. „Ich liebe dich, Jasper.“

Jaspers Arme schlangen sich von hinten um mich, als ich zusammengekrümmt vor dem Computer saß und verzweifelt versuchte, etwas – irgendwas – zu finden, das uns helfen könnte – ein Wunder, um ihn zu heilen. Ich wollte mich einfach nicht damit abfinden, dass er sterben würde – und vor allem wollte ich nicht, dass er sich das Leben nahm. Ich wollte ihn hier haben, bei mir. Immer. Für immer, wie wir es uns vor all den Jahren gegenseitig versprochen hatten. Es konnte einfach nicht schon vorbei sein. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, dass wir uns dem Ende näherten. Ich konnte es nicht.

Er legte sein Kinn auf meine Schulter und küsste mich leicht auf den Hals. „Darlin‘, bitte,  würdest du mich in die Kirche begleiten?“

Ich schnaubte empört und schüttelte meinen Kopf. Jasper hatte begonnen, wieder in die Kirche zu gehen, nachdem er die Diagnose erhalten hatte – er war seit seinem Outing nicht mehr dort gewesen – und hatte lange Gespräche mit dem Pastor der Kirche geführt, die seine Familie besuchte. Seine Mutter war begeistert gewesen, dass er wieder hinging, ebenso wie sein Dad. Vor Jahren war ich auch noch zur Kirche gegangen – aber wie Jasper hatte ich damit aufgehört, nachdem ich mich geoutet hatte. Zu der Zeit hatte es sich so angefühlt, als hätte die Kirche mich aufgegeben und eigentlich fühlte ich auch heute noch so. Es kam mir vor, als hätte Gott mich aufgegeben – uns beide. Daher lehnte ich es ab, Jasper zu begleiten, denn wenn es einen Gott gab, warum ließ er zu, dass so etwas passierte? Natürlich versuchte Jasper weiterhin jede Woche, mich umzustimmen.

Ein schweres Seufzen verließ seine Lippen. „Baby, bitte? Du musst damit aufhören. Wir haben uns bereits alles angesehen; wir wissen beide, was geschehen wird. Die Schmerzmittel, die der Doc mir verordnet hat, schaffen es kaum noch, mich über den Tag zu bringen, und es wird nur schlimmer werden. Komm mit mir, vielleicht verschafft es auch dir ein bisschen Frieden.“

Stur mit dem Kopf schüttelnd drehte ich mich auf dem Stuhl um. „Nein… ich kann nicht. Es tut mir leid… es ist bloß… ich kann nicht.“

Von all den Dingen, nach denen er mich jemals gefragt hatte, konnte ich genau diese Sache nicht für ihn tun. Und das war so, weil ich langsam zu realisieren begann – wenn auch widerstrebend – dass er recht hatte. Es gab nur einen einzigen Weg, wie es für ihn zu Ende gehen würde. Die Wahl lag darin, wie er dahin kam.

Meinen Kopf hebend fokussierte ich mit meinen Augen die Decke, um mich vom Weinen abzuhalten. Er musste meine Tränen nicht schon wieder sehen. Einen zitternden Atemzug nehmend senkte ich meine Augen, bis ich auf seine traf, umschloss sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn zärtlich.

„Geh du, Jazz. Wenn es dir Frieden verschafft, geh bitte. Nur ich… ich kann nicht, es tut mir leid.“

Er küsste mich erneut, flüsterte mir ein „Ich liebe dich“ zu und ging zur Kirche. Die paar Stunden, die er weg war, verbrachte ich am Computer, um nach Informationen über Sterbebegleitung, Sterbehilfe und alles andere, das mir einfiel und eventuell nützlich für uns sein könnte, zu suchen.

Seufzend legte ich den Stift nieder und streckte meine müden Muskeln. Dabei fiel mein Blick auf den Kalender – den ich in den letzten Wochen rigoros ignoriert hatte. Sobald ich das Datum sah, erstarrte ich. Ich konnte nicht atmen und nicht denken – zur Hölle, mir war so, als hörte sogar mein Herz für einen Moment auf zu schlagen.

Plötzlich ertönte ein seltsames, würgendes Geräusch– ich konnte nicht lokalisieren woher es kam oder von wem; mein Gehirn weigerte sich zu funktionieren, während ich weiterhin den blöden Kalender anstarrte. Undeutlich bekam ich mit, dass mein Körper zu zittern begann, Tränen über meine Wangen strömten und meine Sicht sich verschleierte, aber es drang nicht wirklich zu meinem Verstand durch. Erst als sich Arme um meine Schultern legten und ich an einen Körper gezogen wurde – er war weich und verströmte einen Geruch nach Lavendel und Vanille; es war nicht seiner – realisierte ich, dass die seltsamen Geräusche von mir kamen und ich erneut weinte. Ich klammerte mich an meine Mom, die sanft auf mich einredete und mir in dem Versuch, mich zu beruhigen, über den Kopf streichelte.

„Ich weiß, Liebling, ich weiß… shhh“, summte sie leise.

Mich an ihr festhaltend nahm ich tiefe Atemzüge, um mich wieder in den Griff zu bekommen. Ich hatte vergessen – oder besser gesagt verdrängt – dass am heutigen Tag unser Zwölfjähriges gewesen wär.

„Ich kann das nicht machen… ich kann nicht. Er hat mich verlassen… warum hat er mich allein gelassen? Er fehlt mir so sehr, Mom, es tut weh… so sehr.“

„Edward, Liebling. Ich weiß, wie schwer das für dich ist, und es tut mir so leid. Wenn es einen Weg geben würde, dir dein Leid zu nehmen und dir Jasper zurückzugeben, gesund und munter – ich würde es sofort machen. Du weißt, ich würde es tun. Und wenn Jasper eine Wahl gehabt hätte, eine richtige Wahl, hätte er dich nie zurückgelassen, das weißt du. Er hat dich mit jeder Faser geliebt.“

Mich von ihr lösend setzte ich mich aufrecht hin und betrachtete Jaspers Foto auf meinem Schreibtisch. Mit dem Finger zeichnete ich die Konturen seines wunderschönen Gesichts nach und nickte. „Ich weiß, dass er das getan hat, Mom. Ich weiß. Es ist bloß…“ Verärgert wischte ich meine Tränen weg und drehte mich zu ihr um. „Dies hätte eine Zeit zum Feiern sein sollen. Wir wollten in den Urlaub fahren, zusammen durch Europa reisen. Wir hatten es geplant, dafür gespart und uns darauf gefreut. Und nun… nun…“

Sie lächelte mich traurig an, ihre eigenen Gefühle des Verlustes und des Kummers schimmerten deutlich in ihren Augen, während sie mit den Fingerrücken über meine Wange strich. „Liebling, ich weiß.“ Sich aufrichtend hielt sie mir ihre Hand entgegen. „Kommst du mit? Es gibt da etwas, das du sehen musst.“

Seufzend schüttelte ich mit dem Kopf. Ich fühlte mich ausgelaugt, und mir tat alles weh – sowohl körperlich als auch seelisch. „Nein, danke, Mom. Ich bin wirklich nicht in der Stimmung…“

„Edward, komm mit, bitte.“ Ihr Ton duldete keine Widerrede, also stand ich auf und folgte ihr ins Wohnzimmer, wo Carlisle und Alice bereits warteten. Im Fernseher war der DVD-Kanal eingestellt, aber der Schirm zeigte einfach nur ein blaues Bild. Kurz wunderte ich mich, was vor sich ging, als Mom mich auch schon zwischen Alice und sich auf die Couch zog. Sie nickte Dad zu, der daraufhin auf ‚Play‘ drückte.

Ich schnappte nach Luft, als ich Jaspers Abbild auf dem Bildschirm erscheinen sah, meine Hand fuhr zu meinem Mund, und erneut schossen Tränen in meine Augen. Mein wunderschöner Ehemann lächelte in die Kamera – und mich an. Im Hintergrund seiner Augen konnte ich den Schmerz erkennen, und wie er diese strahlend blauen Iriden zu trüben drohte. Aber da war er, lächelnd und besser aussehend als in den letzten Wochen seines Lebens. Ich warf einen Blick zu Mom, die ebenfalls lächelte, mein Bein tätschelte und mit der anderen Hand zum Fernseher deutete.

Er grinste sein schiefes Grinsen – das eine, das meine Knie immer weich werden ließ, wenn er es aufsetzte – und winkte mir zu. „Hey Darlin‘. Wenn du dies siehst, heißt das, dass ich nicht da bin, um unser Zwölfjähriges mit dir zu feiern, und das tut mir wirklich leid. Aber es heißt auch, dass Esme, Carlisle und Alice bei dir sitzen und zuschauen.“ Er nickte leicht mit dem Kopf – es wirkte gespenstisch, wie er es bei jedem wiederholte, als wäre er hier bei uns, und nicht in einer Aufnahme, die in unserem Haus gemacht worden war.

„Ich weiß, dass sie für dich da sein werden, wenn ich es nicht mehr kann, aber ich wollte, dass du es ein letztes Mal von mir hörst. Ich liebe dich, Edward Anthony Cullen, mit meinem ganzen Herzen. Für immer und ewig. Ich wünschte nur, unser für immer hätte etwas länger gedauert.“

„Ich auch. Ich liebe dich auch, Jasper“, wisperte ich.

Esme drückte mein Bein sanft, während Alice sich enger an mich kuschelte und wie üblich, ihren Kopf an meine Schulter lehnte. Meinen Arm um sie schlingend legte ich meinen Kopf auf ihren. Wir sahen gemeinsam zu, wie Jasper über einige der Dinge redete, die wir in der Vergangenheit gemeinsam erlebt hatten und wie dankbar er für alles war, was wir gehabt hatten. Nach einer Weile verließ Carlisle den Raum, gefolgt von Alice und Esme, die mich noch umarmten und mir einen Kuss auf die Wange drückten, bevor sie gingen.

Das Timing wirkte seltsam, denn während sie das Zimmer verließen, schwieg Jasper und lächelte nur geduldig. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen sprach er weiter. „Edward, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Ich liebe dich so sehr, und bin so verdammt stolz auf dich und dankbar, dass du das alles für mich tust. Ich weiß, wie schwer es dir gefallen ist, diese Dinge zu akzeptieren und mir meinen Wunsch zu erfüllen.“

Er legte eine kurze Pause ein, seufzte hörbar und streckte seine Hand der Kamera entgegen, als wollte er mich berühren. Ich fand mich vor dem Fernseher kniend wieder, meine Hand suchte die seine, während stumme Tränen über mein Gesicht liefen. Es schien, als könnte ich sie nicht aufhalten, und ich wusste auch nicht, warum ich es versuchen sollte. Meine Trauer war einfach noch zu frisch.

„Ich weiß, es besteht die Möglichkeit, dass du angeklagt wirst, weil du mir beim Sterben geholfen hast, Baby. Wir haben über dieses Risiko gesprochen und gemeinsam entschieden, es auf diese Weise zu machen… aber trotzdem. Vielen Dank. Du warst schon immer viel stärker als die Leute es dir zugetraut haben, und du wirst diese Stärke dafür brauchen, Liebling. Ich wünschte bloß, ich könnte da sein und dir dabei helfen, allerdings wärst du dann gar nicht erst in dieses Schlamassel geraten, nicht wahr?“

Nervös grinsend fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare – meine eigenen sehnten sich danach, das an seiner Stelle tun zu können. Stattdessen ballte sich meine Hand zur Faust, und ich presste sie auf mein Herz. Wie konnte es sich gleichzeitig so gut anfühlen und doch so schmerzen, ihn zu sehen?

„Es tut mir so leid, dass du all das durchstehen musst, Edward. Und es tut mir leid, dass ich am Ende doch unseren Jahrestag versäume. Wir hatten so viele Pläne, nicht wahr? Wir wollten zuerst nach London, die ägyptische Ausstellung im britische Museum besuchen, und du hättest endlich die echte Rosetta Stone zu sehen bekommen.“

Er lächelte mir zärtlich zu, und ich konnte nicht anders, als zurücklächeln, während ich an all die Pläne dachte, die wir gemacht hatten. Er hatte davon gesprochen, Stonehenge und einige andere interessante Orte zu besuchen, bevor wir die Fähre nach Calais nehmen würden – keiner von uns wollte den Zug nehmen, wir bevorzugten den gemächlicheren Reiseweg mit der Fähre. Wir hatten nach Paris fahren wollen, um dort den Louvre und einige andere Museen zu besichtigen. Als nächstes hatte Deutschland angestanden, wo wir uns Plätze ansehen wollten, die für Jasper interessant waren, den der Zweite Weltkrieg immer fasziniert hatte.

Die Reise hätte an die zwei Monate dauern sollen und wäre in Venedig, Italien, zu Ende gegangen. Unsere Urlaubsanträge waren bereits genehmigt worden, drei Jahre hatten wir dafür gespart, um das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen, die man nur einmal im Leben hatte.

Einmal im Leben… die Chance, die er nie bekommen hatte.

Dieser Gedanke fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, und ich krabbelte vom Fernseher zurück, um die Fernbedienung zu suchen, weil ich es nicht länger ertragen konnte. Jaspers Stimme, die meinen Namen sagte, hielt mich auf und brachte mich dazu, mich wieder zum Bildschirm umzudrehen. Er kannte mich nach all den Jahren, die wir zusammen verbracht hatten, zu genau. Als meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher richtete, sah ich Jasper auf den Knien, der Kamerawinkel war verändert, um ihn im Fokus zu behalten.

„Edward… bitte hör mir zu, Baby. Bitte, wirf unsere Pläne nicht über den Haufen. Ich möchte, dass du diese Reise machst, wenn das alles vorbei ist. Geh; sieh dir die Plätze an, zu denen wir gemeinsam wollten. Mache Erinnerungen für uns beide, Liebling. Ich wünsche es mir aus vollstem Herzen, dass wir zusammen gehen könnten, wie wir es geplant hatten, aber ich werde auch so bei dir sein, Darlin‘. Auf jedem Schritt deines Weges werde ich dabei sein. Ich werde immer da sein. Ich liebe dich.“

Mit vor Schock offenstehendem Mund starrte ich ihn an. Wie konnte er so etwas von mir verlangen? Hinzugehen und all die Dinge ohne ihn anzusehen? Ich schüttelte meinen  Kopf. „Nein… das kann nicht dein Ernst sein… ich könnte nicht… nicht ohne dich…“

Seufzend vergrub Jasper die Finger in seinen Haaren, und er schien mich mit einem traurigen Lächeln zu betrachten. „Ich weiß, was du denkst, Baby. Aber du kannst und du wirst. Außerdem musst du nicht alleine gehen. Alice hat zugestimmt dich zu begleiten, falls du Gesellschaft wünschst. Du musst das tun, Edward – für uns beide, aber am meisten für dich selbst. Du musst dich erinnern wie es ist zu leben, das Leben zu genießen, solange du es kannst. Verschwende deine Zeit nicht, indem du dich zu lange versteckst. Ich kenne dich. Du wirst versuchen, alles alleine zu meistern, wenn alles vorbei ist und kläglich enden. Lass deine Familie und unsere Freunde dir beistehen, Edward. Versprich es mir.“

„Ich verspreche es, Jasper“, wisperte ich nickend.

Er lächelte, als wüsste er, dass er bekommen hatte, was er wollte – mein Wort, niemanden von mir wegzustoßen, obwohl ich es wahrscheinlich doch versuchen würde. Ich wollte allein sein, ich wollte leiden. Doch er hatte Recht. Wenn überhaupt etwas, hätte mir sein Dahinscheiden klarmachen müssen, wie kurz das Leben sein konnte. Wir waren beide immer noch jung – Anfang Dreißig – und  eigentlich sollte uns die Welt zu Füßen liegen.

Stirnrunzelnd sah ich neben ihm eine Bewegung, und jemand reichte Jasper seine Akustikgitarre. Er hielt sie für einen Moment fest und schloss mit einem Lächeln die Augen, ehe er mich erneut direkt ansah.

„Diesen Song habe ich vor einigen Wochen gehört, und ich musste dabei an dich denken, Darlin‘. Ich wollte dir dieses letzte Geschenk geben. Achte auf den Text und denk daran: Für immer und ewig, Baby.“

Er begann auf der Gitarre zu klimpern, während ich mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden direkt vor dem Fernseher saß. Ich hörte, wie die Tür zum Wohnzimmer geöffnet wurde und leises Trippeln, bevor Alice sich neben mich setzte. Erneut schlang sie ihre Arme um mich, wie auch ich meine um sie legte. Ihr Kopf lag an meiner Schulter, während wir schweigend zuhörten und zusahen. Die einzigen Geräusche im Haus waren die von Jaspers Stimme und seiner Gitarre.

„I will not take my love away
When praises cease and seasons change
While the whole world turns the other way
I will not take my love away
I will not leave you all alone.”

Am Ende des Lieds hatten auch Mom und Dad den Raum wieder betreten. In der gleichen Pose wie Alice und ich saßen sie zusammen auf der Couch. Jasper ließ den letzten Akkord ausklingen und sah mich dann an. Sanft lächelnd und mit einem finalen „Ich liebe dich“, nickte er der anderen Person erneut zu, ehe der Bildschirm wieder blau wurde.

Mom stand auf und kam zu uns herüber. Sich neben mich kniend umarmte sie mich fest. Ich schlang einen Arm um ihren Nacken und hielt sie eng an mich gedrückt. Dad ging  hinter uns in die Hocke, damit er uns alle umarmen konnte, und wir blieben, uns aneinander festhaltend, so sitzen. Nach einigen Minuten räusperte ich mich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, während ich versuchte, meine Emotionen irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Ein paarmal die Nase hochziehend schenkte ich ihnen ein dünnes Lächeln und krächzte: „Danke. Für alles. Ich liebe euch alle so sehr.“

Alice lächelte zurück, und zum ersten Mal bemerkte ich, dass sie ebenfalls geweint hatte. Mich komplett zu ihr drehend zog ich sie in eine kräftige Umarmung. „Ich liebe dich auch, Edward“, flüsterte sie. Beide, Mom und Dad wiederholten ihre Worte, was mich lächeln ließ. Als ich mich schließlich von Alice löste, nahm sie meine Hand in ihre und sah mich ernst an.

„Edward, ich habe Jasper ein Versprechen gegeben. Du kannst dir sicher denken, was es ist, aber ich möchte, dass du es auch von mir hörst. Ich weiß, ich bin nicht er und könnte deinen Ehemann auch niemals bei dieser Reise ersetzen, aber er hat mich gebeten, dich zu begleiten, wenn du Gesellschaft haben möchtest. Ich habe ihm gesagt, es wäre mir eine Ehre, wo ich doch genau weiß, was diese Reise euch beiden bedeutet hat, und ich weiß, er will, dass du gehst. Ich musste ihm versprechen, dafür zu sorgen, dass du diese Reise antrittst, egal ob ich dabei bin oder nicht. Er will, dass du versuchst, es zu genießen und dir die Sehenswürdigkeiten für ihn ansiehst, auch wenn du das nicht mehr mit ihm zusammen machen kannst.“

Nicht in der Lage zu sprechen, nickte ich bloß. Als ich ihre Finger durch mein Haar streichen spürte, drehte ich mich zu Mom um. Mit einem sanften Lächeln drückte sie mir einen Kuss auf die Stirn, wie sie es immer gemacht hatte, wenn ich als kleines Kind aufgebracht gewesen war. Danach hatte ich mich immer besser gefühlt, und lächelnd realisierte ich, dass es noch immer diesen Effekt hatte.

Ein Gähnen unterdrückend entschuldigte ich mich kopfschüttelnd. Dad legte seine Hand auf meine Schulter und schenkte mir ein halbes Lächeln. „Sohn, du solltest versuchen dich auszuruhen und etwas Schlaf zu bekommen. Du hast einen sehr langen, ermüdenden Tag hinter dir und einen weiteren vor dir. Du brauchst Ruhe“, sagte er.

Seufzend nickte ich und stand auf. „Du hast recht, Dad. Ich sehe euch morgen früh, denke ich.“

Nachdem ich jedem eine gute Nacht gewünscht hatte, ging ich in mein Zimmer und holte eins von Jaspers Lieblingsshirts und eine seiner Pyjamahosen aus dem Schrank. Ich musste ihn fühlen, ihm nahe sein – irgendwie. Einmal umgezogen schlüpfte ich unter die Decke und griff nach seinem Kissen, drückte es fest an mich – es roch zwar nicht mehr nach ihm, aber es war seins, und das war alles, was zählte. Das Foto von uns, welches auf dem Nachttisch stand – wir saßen Arm in Arm und aneinander gelehnt am Strand und betrachteten den Sonnenuntergang – starrte ich solange an, bis ich einschlief. Die ganze Nacht träumte ich von ihm.

Am nächsten Morgen nach dem Aufwachen dauerte es eine Weile, bis ich wieder wusste, wo ich war. Der Traum hatte sich so real angefühlt, es schmerzte zu realisieren, dass Jasper nicht bei mir war und dass ich mich im Haus meiner Eltern befand, statt in unserem Bett. Sein Kissen einen Moment lang fest an mich gedrückt haltend stand ich schließlich mit einem schweren Seufzen auf. Ich fror – sowohl innen als auch außen – während ich mich für einen weiteren Tag vor Gericht fertig machte.

Dad zog mich zur Seite als wir zum Auto liefen und legte einen Arm um meine Schultern. Dankbar sah ich ihn an, schlang meinen Arm um seine Taille und wisperte ein leises „Danke, Dad.“ Er drückte meine Schulter kurz, lächelte traurig und nickte mir zu. Die Fahrt zum Gericht verbrachten wir schweigend, jeder von uns war in seinen eigenen Gedanken versunken. Die ganze Zeit über starrte ich aus dem Fenster und machte mir Sorgen darum, was mich höchstwahrscheinlich heute erwarten würde. Ich wollte nicht aussagen, aber Tanya und ich hatten entschieden, dass es besser wäre, sollten sie von mir hören wollen, was geschehen war. Sie hatte mir versprochen, wir würden versuchen, es ohne meine Aussage zu überstehen, aber ich vertraute ihrem Urteil.

Wieder einmal ignorierten wir die Presse und gingen ohne Umschweife direkt in den Gerichtssaal, wo Tanya bereits auf uns wartete. Während ich mich setzte, tätschelte sie lächelnd meinen Arm und gab mir so eine stille Bestätigung, dass wir es schaffen würden. Sie sagte, sie hätte eine Kopie der DVD erhalten, die Jasper mir hinterlassen hatte, mit einer handschriftlichen Notiz von ihm, das Video nur dann abzuspielen, wenn es nötig wäre. Jedoch war es ihm lieber, dass sie abgespielt wurde, anstatt mich in den Zeugenstand zu rufen. Ein paarmal schluckend versuchte ich, meine Gefühle beisammen zu halten und nickte ihr zustimmend zu.

Alle waren wieder gekommen und saßen hinter mir, wie sie es bereits am Vortag getan hatten. Mich umsehend entdeckte ich ein paar Leute, die ich nicht gleich erkannte, wie auch ein paar, die zu sehen ich nicht erwartet hatte.

Der Richter eröffnete die Verhandlung, und diesmal war Tanya diejenige, die die Zeugen aufrief. Sie benannte mehrere Zeugen: die beiden Ärzte, die wir aufgesucht hatten, wie auch die Pflegekräfte; Arbeitskollegen von Jasper – einschließlich Emmett, der eindeutig klarmachte, wie er zu diesem ganzen Verfahren stand. Der wichtigste Zeuge – zumindest wenn es nach Tanya ging – war Pastor Garrett, der Pfarrer der Kirche, zu der Jaspers Familie ging und mit dem Jasper über alles geredet hatte. Ich hatte den Mann erst einmal zuvor gesehen und das war auf Jaspers Beerdigung gewesen – aber ich hatte noch nie mit ihm gesprochen. Da ich nicht mit Jasper zur Kirche gegangen war und mich strikt geweigert hatte, bei der Beerdigung mit ihm zu reden, hatte es bisher keinen Kontakt zwischen uns gegeben. Tanya hatte mir erklärt, dass seine Aussagen genau deswegen so wertvoll waren.

Sie bat ihn darum, dem Gericht von Jasper zu erzählen – woher er ihn kannte und in welcher Beziehung er zu ihm gestanden hatte. Waren ihm dessen Krankheit und seine Wünsche, damit umzugehen, bekannt gewesen? Hatte er irgendeine Beziehung zum Angeklagten geführt? Leise erklärte Garrett alles, beantwortete jede Frage, die an ihn gerichtet wurde, sowohl von Tanya als auch vom Staatsanwalt. Ihn über Jasper reden zu hören war schwierig, aber es zeigte mir auch etwas, das ich vorher nicht hatte sehen wollen. Jasper hatte – trotz der vielen anschaulichen Gespräche mit Gott, die ich mit angehört hatte, wenn er dachte, ich würde schlafen – seinen Frieden mit allem geschlossen. Am Ende hatte er sein Schicksal akzeptiert. Er hatte um Vergebung für die Fehler gebeten, die er gemacht hatte und die ihm angetan worden waren – einschließlich jener, die uns dafür verurteilt hatten, was wir waren. Das war etwas, zu dem ich selbst nicht in der Lage gewesen war.

Garrett sprach voller Respekt und Ehrfurcht über meinen Ehemann, und dafür wollte ich ihm danken. Hoffentlich würde ich die Chance dazu bekommen.

Nach einer kurzen Pause – während der Tanya erklärte, ihrer Meinung nach wäre es besser, dem Gericht die Aufnahme zu zeigen, die Jasper mir hinterlassen hatte, dem ich schlussendlich zustimmte – wurden ein Fernseher und ein DVD-Player in den Raum gebracht. Man konnte die Anspannung in der Luft spüren, beinahe jeden Herzschlag hören und jedes Schnappen nach Luft, als Jaspers Gesicht auf dem Bildschirm erschien. Mein komplettes Wesen war auf den Schirm konzentriert, und obwohl ich es bereits letzten Abend gesehen hatte, konnte ich meine Reaktionen darauf nicht kontrollieren. Tanya musste nach meiner Hand greifen, damit ich ruhig auf meinem Platz sitzen blieb. Dabei wollte ich nichts anderes machen als weinen, schreien, mit ihm diskutieren und ihn anflehen, doch bitte zu mir zurückzukehren – auch wenn das unmöglich war.

Ich hörte nicht, was gesagt wurde, nachdem das Video gestoppt worden war, sah nicht, wie jeder aufstand und ging. Emmett und Dad waren nötig, um mich hochzuziehen und mir dabei zu helfen in einen Nebenraum zu gehen, in dem wir warten sollten, während die Entscheidung über mein Leben getroffen wurde.

Am Fenster sitzend starrte ich nach draußen, nicht in der Lage irgendetwas oder irgendwen wahrzunehmen, weil mein Verstand zu dem letzten Tag zurückging, den Jasper und ich gemeinsam erlebt hatten.

Wir saßen auf der Verandaschaukel und sahen dabei zu, wie die untergehende Sonne den Himmel in Flammen setzte. Ich hielt Jasper in meinen Armen, während er an mir lehnte. Sein Kopf lag an meiner Schulter, während meiner auf seinem ruhte. Bereits am Tag zuvor hatte er sich von seiner Familie und seinen Freunden verabschiedet. Der heutige Tag war nur für uns  – ein letzter, gemeinsamer Tag, bevor er mich verlassen würde, bevor er diese Welt für immer verlassen würde. Es war etwas, das wir unendlich diskutiert hatten; wie er gehen wollte, was er tun wollte, wenn dieser letzte Moment gekommen war. Ein Teil von mir war froh, dass der Tag da war. Sein Zustand hatte sich rapide verschlechtert, seine Schmerzen waren auf ein Level gestiegen, bei dem das Morphium nicht mehr ausreichend wirkte, und er hatte noch mehr Gewicht verloren – etwas, das jetzt leicht zu erkennen war. Die meiste Zeit sah er hager, müde und gequält aus.

Obwohl es sein Wunsch gewesen war, diese Welt zu verlassen, wusste ich, dass er meinetwegen länger ausgehalten hatte als ursprünglich geplant. Er hatte mir die nötige Zeit gewährt, die Dinge zu akzeptieren, etwas, in dem ich viel langsamer war als er – es war egoistisch von mir, und ich hasste mich dafür. Ich hatte Angst, ihn gehenzulassen; ich brauchte ihn zu sehr – aber am Ende konnte ich ihn nicht halten und hatte begonnen, mich von ihm zu verabschieden.

Heute Abend jedoch sah er beinahe entspannt aus, ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, während er dabei zusah, wie sich die Farben am Himmel von einem feurigen Rot, das den Himmel durchzog, zu einem Indigoblau änderten, nachdem die Sonne schließlich untergegangen war. Wir hatten seine Dosis Morphium bereits erhöht, und es war deutlich zu sehen, dass er jetzt weniger Schmerzen hatte, wenn er auch nicht vollkommen frei davon war.

Am Morgen brachten wir die letzten Worte unserer gemeinsamen Reise zu Papier, so wie er es gewünscht hatte. Der Rest blieb für mich allein übrig, und ich hatte ihm versprochen, es zu tun. Durch unsere Nachforschungen hatten wir herausgefunden, dass dort, wo wir lebten, Sterbehilfe nicht legal war, und dass es ein Thema war, zu dem viele Leute eine Meinung hatten, von dem aber kaum jemand genug wusste. Es gab nur wenige Fälle, die die Geschichte derjenigen erzählten, die sich dieser Wahl gestellt hatten – endloses Leid zu ertragen oder das Leben – oder den Tod, sollte man wohl besser sagen – in die eigenen Hände zu nehmen. Er wollte unsere Geschichte erzählen, um der Welt beide Seiten zu zeigen – die Seite des Menschen, der sein Leben in die eigene Hand nahm und die desjenigen, der zurückblieb. Wir waren uns des Risikos, das ich in dieser Sache auf mich nahm, durchaus bewusst, und dies war die eine Sache, die er am meisten bedauerte, obwohl ich ihm versichert hatte, dass ich es um seinetwillen tun wollte. Es war für uns beide wichtig geworden – und um ehrlich zu sein, hoffte ein Teil von mir insgeheim darauf, dass ich für schuldig befunden wurde und die Konsequenzen erleiden musste, die erlauben würden, wieder mit ihm zusammen zu sein, auch wenn ich das ihm gegenüber nie zugeben würde. Mit diesem Wissen, da war ich mir sicher, hätte er es niemals durchgezogen, sondern lieber bis zum bitteren Ende gelitten – und das war etwas, womit ich nicht leben konnte.

Den Rest des Tages verbrachten wir einfach nur damit, ohne Unterbrechungen von außerhalb unserer kleinen Seifenblase zusammen zu sein, selbst die Telefone hatten wir abgeschaltet. Er wollte über unsere Vergangenheit sprechen, also schwelgten wir in den Erinnerungen an die glücklichen Dinge, die wir in unseren vielen gemeinsamen Jahren erlebt hatten. Wir sagten uns unzählige Male, dass wir uns liebten – tauschten Küsse und Liebkosungen aus; alles, was dem anderen mitteilte, dass er geliebt wurde.

Ein letztes Mal kochten wir zusammen, obwohl er kaum noch etwas essen konnte; das vertraute Ritual fühlte sich gut an und verknüpfte uns mit unserem alten Selbst. Es war ein einfaches Mahl, nur gegrillter Asparagus, Backkartoffeln und Rinderbraten. Es war einfach, aber es war sein Leibgericht und es war seine letzte Mahlzeit, obwohl ich verzweifelt versuchte, nicht daran zu denken.

Nach dem Essen gingen wir nach draußen, um den Abendhimmel zu betrachten, und sobald die Sterne zu sehen waren, sprach er einen Wunsch aus.

„Star light, star bright, the first star I see tonight. I wish I may, I wish I might, have the star I wish tonight.”

Danach schloss er seine Augen und ich verstärkte den Griff meiner Arme um ihn, küsste ihn auf den Kopf und murmelte: „Was hast du dir gewünscht?“

Leise summend vergrub er sich tiefer in mir. „Wenn ich dir das sagen würde, Darlin‘, würde mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen, oder?“

Lächelnd rieb ich seinen Arm. „Ich vermute, da hast du recht.“

Er drehte sich leicht, sodass er meine Hand nehmen konnte und verschränkte seine Finger mit meinen. Er seufzte leise, was zufrieden und traurig zugleich klang. Seinen Kopf hebend betrachtete er mich für einen Moment eingehend, und ich blickte ihn ebenfalls an, versuchte mir jedes noch so kleine Detail, das ich finden konnte, einzuprägen. Ich hob meine freie Hand an seine Wange und streichelte mit meinem Daumen über seine Haut, was ihn lächeln ließ.

„Danke, Edward, dass du mich so sehr liebst, um mir das zu geben.“

Ich schluckte und hatte Mühe, den Part von mir zurückzuhalten, der egoistisch sein wollte. Weil ich nicht in der Lage war zu sprechen, nickte ich bloß. Sanft strichen seine Finger über meine gerunzelte Stirn und glättete sie. „Ich weiß, Darlin“, wisperte er.

Er hob seinen Kopf und presste seine Lippen zärtlich auf meine. Ein leises Seufzen entwich mir, während ich meine Augen schloss und die Geste zurückgab, versuchte, ihn wissen zu lassen, wie sehr ich ihn tatsächlich liebte – immer geliebt hatte und lieben würde. Für immer.

Sich soweit zurückziehend, dass er reden konnte, fragte er: „Edward?“

„Ja, Liebster?“

Seine Augen suchten nach meinen, und ich fühlte mich, als würde ich fallen, verlor mich in dem Chaos der Emotionen, die ich in ihnen sah – Hoffnung, Verzweiflung, Liebe, Entschlossenheit, Verlust, Leidenschaft – und ich musste ihn fest in die Arme schließen, um meine Bodenhaftung nicht zu verlieren.

„Schlaf mit mir? Ich möchte dich noch einmal spüren, ein letztes Mal.“

Verzweifelt versuchte ich, etwas zu sagen, aber am Ende konnte ich nur nicken. Sich aufsetzend ließ er mich zuerst aufstehen, damit ich ihm aufhelfen konnte. In den letzten Wochen waren wir wegen seiner starken Schmerzen nicht oft intim gewesen, und ein Teil von mir rebellierte genau deswegen auch jetzt dagegen. Ein anderer Part hieß diesen Gedanken willkommen, nicht um meiner Erlösung willen, sondern um ihn ein letztes Mal dabei sehen zu können, ihn zu spüren und mich auf diese Art mit ihm zu verbinden. Es gäbe mir eine weitere Möglichkeit, mir einzuprägen, wie er sich anfühlte, aussah und sich anhörte, wenn er kam – wenn wir uns gegenseitig Lust bereiteten.

Zusammen gingen wir in unser Schlafzimmer, und sobald wir das Bett erreichten, fing ich an, ihn langsam auszuziehen – voller Ehrfurcht. Meine Finger und Lippen verwöhnten jeden Zentimeter seiner Haut, die sich mir enthüllte. Jaspers leises Stöhnen und zufriedenes Murmeln leitete mich. Kaum stand er nackt vor mir, da begann er, mich auf ähnliche Weise meiner Sachen zu entledigen. Ich wollte meine Augen schließen und nur fühlen, doch ich konnte nicht. Ich musste ihn sehen, damit ich mich später an alles erinnern konnte. Es fühlte sich so gut an, jede Berührung, die verweilte, jeder Kuss, der meinen Körper liebkoste, schien sich in mich zu brennen – es war fast zu viel, aber es würde nie genug sein. Niemals.

Nachdem er fertig war, half ich ihm auf das Bett – nicht, weil es nötig war, sondern damit ich so lange wie möglich mit ihm verbunden war. Ich krabbelte auf ihn, küsste ihn, als ich seine Lippen erreichte, seine Hände verwoben sich in meinen Haaren, und er hielt mich an sich gepresst. Ich würde seine Lippen vermissen, wie sie mit meinen eigenen verschmolzen, wie sie weich, stark und geschmeidig zugleich waren; wie sie meine Haut auf herrlichste Art zum Prickeln bringen konnten; wie er meinen Körper in sündhafte Höhen bringen konnte. Ich wollte das alles erleben, nur noch ein letztes Mal.

Seine Hände fuhren an meinem Körper herab, legten sich auf meinen Hintern, während er mich nach unten drückte und mir seine Hüften gleichzeitig entgegen schob, uns beide zum Stöhnen brachte. In einen langsamen Rhythmus verfallend bewegte ich meine Hüften. Die Reibung, die ich dabei erzeugte, wenn unsere Schwänze sich berührten, war Himmel und Hölle zugleich – Himmel, weil es sich so verdammt gut anfühlte und Hölle, weil es das letzte Mal war, dass ich es tun würde – es setzte all meine Sinne in Flammen. Alles verstärkte sich und brannte sich in meine Erinnerung. Ich konzentrierte mich auf jedes Bild, jedes Geräusch und jedes Gefühl – und Jasper schien das Gleiche zu tun.

Es fühlte sich an, als würden wir Stunden damit zubringen, uns gegenseitig zu lieben – den anderen zu schmecken, uns gegenseitig zu berühren, den anderen wieder und wieder bis zum Rand des Orgasmus zu bringen, während keiner von uns auf die Erlösung aus war, obwohl mein Körper danach schrie, endlich loszulassen. Erlösung würde das Ende bedeuten – ein Ende, dem gegenüberzustehen ich mich plötzlich nicht bereit fühlte. Schließlich war das Ende jedoch unausweichlich, und wir kamen zusammen, als ich immer wieder in ihn stieß und wir uns tief in die Augen sahen, nicht gewillt, diesen einen Moment an uns vorbeiziehen zu lassen.

Nachdem ich mich aus ihm zurückgezogen hatte, spürte ich die Tränen schließlich fließen. Der Kontaktverlust traf mich wesentlich härter, als ich es jemals vermutet hätte, und ich sehnte mich danach zurück. Nach den Babytüchern greifend säuberte ich uns beide und versuchte, mein Weinen vor ihm zu verstecken. Natürlich scheiterte ich. Nachdem ich die Tücher entsorgt hatte, zog er mich in seine Arme, hielt mich fest und summte leise. Immer wieder sagte er „Ich liebe dich“ und „Danke“, womit er mich langsam beruhigte. Es benötigte einige Anstrengung meinerseits, aber ich schaffte es, mich wieder zusammenzureißen. So hatte ich mir meine letzten Momente mit ihm nicht vorgestellt. Ich musste stark bleiben, für ihn.

Meine Tränen aus dem Gesicht wischend bedeckte ich sein Gesicht mit sanften Küssen und wisperte ihm meine Liebe und Hingabe zu. Wir verbrachten mehrere Minuten in dieser Stellung bevor ich mich von ihm zurückzog und er mit einem Seufzen sagte: „Es ist an der Zeit, Baby.“

Ich nickte stumm, und meine Augen wanderten automatisch zu dem Platz im Zimmer,  den ich bisher erfolgreich gemieden hatte. Er hatte bereits mehrere Dosen Morphium fertig zur Einnahme zurechtgelegt. Wir standen beide auf und zogen unsere Pyjamahosen an, bevor wir zurück ins Bett gingen. Er nahm die erste Dosis ein, zumindest die erste von denen, die er zu nehmen beabsichtigte – und kuschelte sich in meine Arme. Ich hielt ihn fest, während das Morphium zu wirken begann und er schläfrig wurde. Er sprach über die Dinge, die er sich für mein Leben wünschte, und ich hörte ihm zu, obwohl es schwer war, weil er in diesen Träumen nicht vorkam. Ich versprach ihm, ich würde nichts Dummes tun. Sein Südstaatenakzent wurde immer deutlicher, während er sprach, und seine Augen fielen ihm zu, als er müde wurde.

Er fragte nach einer weiteren Dosis, und ich half ihm dabei, sie zu nehmen. Ich stützte bloß seine Hand, weil er darauf bestand, sie alleine zu nehmen. Mein Herz brach, als ich ihn danach zurück in meine Arme zog und er seinen Kopf auf meine Brust legte. „Ich liebe dich, Edward“, murmelte er.

Ich küsste ihn auf den Kopf und wisperte: „Ich liebe dich auch, Jasper. Schlaf jetzt, Liebster. Schlaf und finde Frieden.“

Ich spürte, wie seine Atmung flacher und langsamer wurde, seine Muskeln sich entspannten, weil das Morphium zu wirken begann. Die Tränen kamen erneut, und diesmal ließ ich ihnen freien Lauf, während Jasper mir langsam entglitt. Ich sah dabei zu, wie seine Züge sich zum ersten Mal seit Monaten komplett entspannten, ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, und ich konnte nicht anders als mich zu fragen, was dieses Lächeln dort hingezaubert hatte. Als mir eine Zeile eines Liedes ins Gedächtnis kam, musste ich leicht schaudern: „I’m going home, to the place where I belong.“ Ich betete, dass es so war, dass er endlich Frieden gefunden hatte. Es war das erste Gebet seit Jahren, das ich sprach und ich hoffte, es wurde erhört – um seinetwillen.

Ein Klopfen an der Tür holte mich aus meinen Erinnerungen und ich hob meinen Kopf, um zu sehen, was vor sich ging. Es überraschte mich, meine Mom mit den Händen auf meinen Schultern hinter mir stehend vorzufinden, und dass Alice auf einem Stuhl saß, den sie neben mich geschoben hatte. Sie hielt meine Hand, und ich hatte es noch nicht einmal bemerkt. Mir ein mattes Lächeln zuwerfend drückte sie meine Hand leicht, ließ mich so wissen, es war okay. Tanya – die zur Tür gegangen war, um zu sehen, was los war – drehte sich mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck zu uns um und sagte, dass es an der Zeit wäre – sie waren zu einer Entscheidung gekommen.

Dad betrat den Raum in dem Moment, als wir aufstanden um ihn zu verlassen, und Tanya klärte ihn schnell auf, während wir zurück in den Gerichtssaal gingen. Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, weil die Erinnerungen an unsere letzte Nacht mich noch immer nicht losließen. Tanya half mir auf die Füße, als mir befohlen wurde aufzustehen, um das Urteil zu hören – ich hatte die Aufforderung dazu nicht gehört. Ich war kaum in der Lage zu registrieren, was um mich herum geschah, mein Verstand war überfüllt mit all den Emotionen und dem Stress, mit dem ich so lange zu kämpfen gehabt hatte.

Ich bekam nicht einmal mit, dass das Urteil „nicht schuldig“ lautete, bis die Jubelstürme hinter mir losbrachen, die mich hellhörig werden ließen. Innerhalb von Minuten war ich von Leuten umringt, die mich umarmten, küssten, mir gratulierten und mir ihr Beileid aussprachen. Nur benommen nahm ich wahr, wie ich freigelassen, meine Fußfessel entfernt und ich meines Weges geschickt wurde.

Mom, Dad, Alice, JR, Helen und Emmett bestanden darauf, dass wir zum Essen ausgingen, um meinen sogenannten Sieg zu feiern – das erste Mal seit Jaspers Tod, dass es mir überhaupt erlaubt war, auszugehen. Alle schienen glücklich zu sein und unterhielten sich überwiegend untereinander. Ich war nicht in der Lage, mich an irgendeinem Gespräch zu beteiligen, deshalb ließ ich alles bloß über mich ergehen. Die einzige Person, die davon Notiz nahm – oder besser gesagt, die es mich wissen ließ – war Alice. Sie rieb mir vorsichtig über den Rücken, während sie sich weiter über irgendetwas mit Helen unterhielt – ich war nicht aufmerksam genug, um herauszufinden, um was es ging. Lächelnd ließ ich Alice wissen, dass ich es schätzte, dass sie mir meinen Freiraum ließ.

Als wir endlich nach Hause kamen, entschuldigte ich mich und ging in mein Zimmer. Ich entledigte mich meines Anzugs, hängte ihn auf und steckte mein Hemd in den Wäschekorb, ehe ich ein weiteres von Jaspers Shirts und seine Pyjamahose anzog. Mit den Fingern fuhr ich durch meine Haare und setzte mich seufzend in den Stuhl. Nach seinem Foto greifend zeichnete ich zärtlich sein Gesicht nach und erzählte ihm, was geschehen war – zumindest das, woran ich mich erinnern konnte. Ich versprach ihm, dass ich Mom und Dad fragen würde, was ich verpasst hatte, damit ich alles niederschreiben konnte.

Für eine lange Zeit starrte ich ihn an, dann stellte ich den Rahmen zurück an seinen Platz und nahm meinen Stift auf, um zu schreiben, bis es Zeit zum Schlafen war.

Es dauerte ein paar Monate, aber nach vielen Tagen und Nächten, die ich mit Schreiben verbrachte, nach dem Übertragen, Korrigieren und Druckfertigmachen, war er schließlich da: der fertige Entwurf. Ich hatte ihn ein letztes Mal durchgelesen, bevor ich den letzten Strich setzen wollte – die Widmung auf der ersten Seite. Ich befand mich in unserem Haus vor dem Kamin, ein Glas Rotwein auf dem Kaffeetisch hinter mir und ein paar Häppchen auf der Platte neben mir – Essen, das bisher unberührt geblieben war.

Nachdem ich zu Ende gelesen hatte, blickte ich auf die Bilder über dem Kamin – jedes zeigte einen Abschnitt des Lebens, das Jasper und ich gemeinsam bestritten hatten, zeigten die Liebe, die uns verband.

„Wir haben es geschafft, Liebster. Es ist fertig. Naja… fast. Es fehlt bloß noch eine Kleinigkeit…“

Mich umdrehend nahm ich den Stift zur Hand, der auf dem Kaffeetisch lag. Vorsichtig schlug ich die Seite auf, auf der die Mitteilung stehen sollte, die wichtigste, an die ich denken konnte. Ich hielt noch einen Moment inne, nahm einen tiefen Atemzug, den ich langsam wieder ausblies, und schrieb dann in fein säuberlicher Schrift:

Gewidmet dem Einen, den ich liebe

Für immer und ewig

Dein

Edward